Klimaschutz

Klimaforscher: "Wir steuern auf 3 Grad Erderwärmung zu"

3 Grad mehr Erderhitzung wären katastrophal, erklärt Klimaforscher Stefan Rahmstorf im "Heute“-Gespräch und kritisiert die "zögerliche Politik".

Lydia Matzka-Saboi
Klimaforscher Stefan Rahmstorf warnt vor einem ungebremsten Klimawandel. Eine Welt mit 3 Grad Erderhitzung wäre eine von extremen Hitzewellen, katastrophalen Stürmen, Dürre sowie von Flucht und Hungersnöten geprägte.
Klimaforscher Stefan Rahmstorf warnt vor einem ungebremsten Klimawandel. Eine Welt mit 3 Grad Erderhitzung wäre eine von extremen Hitzewellen, katastrophalen Stürmen, Dürre sowie von Flucht und Hungersnöten geprägte.
Ragnar Axelsson

Hitzewellen, Waldbrände, schwere Unwetter, austrocknende Flüsse und Seen. Die Auswirkungen der Klimakrise sind in diesem Sommer der Extreme mehr als spürbar.

Was jetzt bei 1,2 Grad globaler Erderwärmung passiert, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was geschehen wird, wenn wir weiterhin hohe Mengen an CO2 in die Atmosphäre blasen, wir in der Folge auf eine Erderhitzung von 3 Grad zusteuern. 3 Grad mehr global bedeuten für Österreich 5 bis 6 Grad mehr.

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Der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf (62) leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er zählt zu den führenden Wissenschaftern seines Fachgebietes.

In dem kürzlich erschienenen Sammelband "3 Grad mehr" entwirft er mit 18 Mitautorinnen und -autoren das Bild einer Welt, in der die Erderwärmung erst bei 3 Grad gestoppt werden konnte: Es ist eine unsichere Welt, geprägt von extremen Hitzewellen, katastrophalen Stürmen, Dürre, gestiegenem Meeresspiegel, Flucht und Hungersnöte.

Physikalisch ist es noch möglich, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, auch die notwendigen Technologien für die Energiewende haben wir, sagte Klimaforscher Stefan Rahmstorf im <em>"Heute"</em>-Gespräch.
Physikalisch ist es noch möglich, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, auch die notwendigen Technologien für die Energiewende haben wir, sagte Klimaforscher Stefan Rahmstorf im "Heute"-Gespräch.
Langrock / laif / picturedesk.com

Herr Prof. Rahmstorf, in Ihrem neuen Buch "3 Grad mehr" entwerfen Sie finstere, dystopische Szenarien, wie realistisch ist diese Welt?

Das geschilderte Szenario ist leider allzu realistisch, denn mit der aktuellen Klimapolitik steuern wir tatsächlich auf 3 Grad globale Erwärmung zu. Die Folgen wie tödliche Hitzewellen, Extremregen, Überflutungen, Dürren, Waldbrände und steigende Meeresspiegel habe ich mir nicht ausgedacht, sie wurden von der Wissenschaft seit langem vorhergesagt und treten in Anfängen ja schon heute ein, teils sogar schneller als erwartet.

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich (im Parisabkommen, 2015) auf 1,5 Grad maximale Erderwärmung geeinigt, hat die Klimaforschung dieses Ziel aufgegeben?

Nein. Aber die meisten Kollegen halten es für sehr unwahrscheinlich, dass es geschafft wird: wegen der zögerlichen Politik.

Stefan Rahmstorf, Professor für Klimasysteme am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Stefan Rahmstorf, Professor für Klimasysteme am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Nick Cubbin

Ist das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch realistisch? Was muss getan werden?

Physikalisch ist das noch möglich, auch die notwendigen Technologien für die Energiewende haben wir. Wir müssten es aber zur Priorität machen, die CO2-Emissionen weltweit bis 2030 zu halbieren und bis 2050 ganz auf null zu bringen.

1,5-Grad-Welt oder 3-Grad-Welt – wo ist der Unterschied?

Es ist der Unterschied zwischen einer Welt, wo wir uns noch geordnet an den Klimawandel anpassen können, und einer Welt, wo vieles außer Kontrolle gerät, wo Hungersnöte wüten, Küstenstädte untergehen, Ökosysteme kollabieren und sehr sehr viele Menschen auf der Flucht sind.

Im Detail kann man das nicht vorhersehen, aber es wird höchstwahrscheinlich so, dass ich das meinen Kindern und Enkeln auf keinen Fall zumuten möchte.

Was viele nicht wissen: der globale Mittelwert besteht zu siebzig Prozent aus Ozeantemperaturen, die Landmassen erwärmen sich viel stärker. Eine 3-Grad-Welt wäre keineswegs nur doppelt so schlimm wie eine 1,5-Grad-Welt, sondern es werden Belastungsgrenzen überschritten, sowohl für Ökosysteme wie auch für die menschliche Gesellschaft.

Die Welternährung wäre gefährdet, ich befürchte Hungersnöte und Kriege. Der Meeresspiegel steigt umso schneller je wärmer es wird, Tropenstürme werden noch viel heftiger. Die Alpen würden Gletscher und Schneedecke weitgehend verlieren. Dazu kommen massive Waldbrände und Überschwemmungen
Stefan Rahmstorf
Professor für Klimasysteme am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

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Sie beschreiben einige Kipppunkte des Klimasystems. Welche machen Ihnen derzeit am meisten Sorgen?

Schon jetzt das Umkippen von Ökosystemen – wir sind mitten im lange vorhergesagten Sterben der Korallenriffe und in einem vom Klimawandel verursachten Waldsterben. Dazu der unumkehrbare Verlust von Kontinentaleisschilden und Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation und von Meeresströmen.

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    Zahlreiche Starkregenereignisse haben im Sommer - wie hier im Bild im Raum Hochburg-Ach in Oberösterreich - zu Hochwasser, Überschwemmungen und Vermurungen geführt.
    Zahlreiche Starkregenereignisse haben im Sommer - wie hier im Bild im Raum Hochburg-Ach in Oberösterreich - zu Hochwasser, Überschwemmungen und Vermurungen geführt.
    MANFRED FESL / APA / picturedesk.com

    Sie beschreiben im Buch "naturbasierte Lösungen, wie wir eine 3 Grad wärmere Welt noch verhindern können". Welche ist aus Ihrer Sicht die am leichtesten umsetzbare – und welche wäre die dringlichste?

    Leicht umsetzbar wäre die Wiedervernässung von Mooren, um die riesigen Kohlenstoffmengen zu erhalten, die dort gespeichert sind.

    Am dringendsten ist, die verbleibenden natürlichen Ökosysteme zu bewahren und vor allem die Abholzung von naturbelassenen Wäldern zu stoppen.

    Was kann der/die Einzelne tun?

    Die Politik hat viel Lobbydruck von bestimmten Wirtschaftsinteressen. Wir können den Politikern klar zeigen: Wer die Klimakrise nicht entschieden anpackt, wird abgewählt.

    Was gibt Ihnen Hoffnung, dass die Klimakrise gelöst werden kann?

    Hoffnung macht mir die rasante Entwicklung der Lösungsoptionen, der erneuerbaren Energien aber auch vielen anderen. Und dass sich immer mehr vor allem junge Menschen für eine lebenswerte Zukunft auf unserer Erde engagieren.

    Vielen lieben Dank für das Gespräch!